Die rätselhafte Rosettenpflanze – Teil 2

Die kleine Rosette wuchs zur buschigen Staude heran, überragt nun alle Beetnachbarn und verrät endlich ihr Geheimnis. Darf ich vorstellen? Oenothera, die Nachtkerze.
Die kleine Rosette wuchs zur buschigen Staude heran, überragt nun alle Beetnachbarn und verrät endlich ihr Geheimnis. Darf ich vorstellen? Oenothera, die Nachtkerze.

…ist eine waschechte Nordamerikanerin und heißt Oenothera, die Nachtkerze. Sieh an! Wie kommt sie denn in unseren Garten? Eigentlich wächst sie auf sogenanntem Ödland* wie Schuttplätzen oder Ruderalflächen, beides in unserer Gegend weit und breit nicht zu finden. Vermutlich kam sie mit der Erde des Erdbauunternehmens zu uns.

Oenothera, so lese ich nach, kam im 17. Jahrhundert zu uns nach Mitteleuropa, weil die Menschen sie gerne zur Zierde pflanzten und ihre Wurzeln aßen. Wikipedia verrät, dass sie als Speisepflanze „Rapontika, Rapunzelsellerie oder gelbe Rapunzel“ genannt wird. Allerdings ist unsere Nachtkerze wohl nicht mehr genießbar, weil sie bereits blüht. Da hat sie ja nochmal Glück gehabt 😉

Sie hat Verwandte in Europa: die rosablühenden Weidenröschen (Epilobium). Sie gehören zur gleichen Familie der Nachtkerzengewächse Onagraceae. Wie die Nachtkerzen wachsen auch diese häufig auf Ruderalflächen, Schuttplätzen und an Wegrändern. Na, das passt doch! Und ebenso passend: Im Kosmos-Schmetterlingsführer*** finde ich zwei Falter, die für Weidenröschen UND Nachtkerzen schwärmen und ihre Eier auf beiden ablegen:
der Nachtkerzenschwärmer – Proserpinus proserpina
und der Mittlere Weinschwärmer – Deilephila elpenor.
Wow, die sehen hammertoll aus! Da gerate ich ins Schwärmen…ich muss unbedingt auf Raupensuche gehen…

Der lange hellgrüne, nicht gepunktete "Stiel" ist die Blütenröhre - ein 4 cm weiter Weg zum Nektar. Nur Insekten mit langem Rüsseln können sich an ihm stärken.
Der lange hellgrüne, nicht gepunktete „Stiel“ ist die Blütenröhre – ein 4 cm weiter Weg zum Nektar. Nur Insekten mit langem Rüsseln können sich an ihm stärken.

Nachtkerzen sind Ein-Nacht-Blüher. Jeden Abend öffnet sich eine neue Reihe Blüten, verbreitet ihren Duft und verwelkt tagsüber wieder. Wer an den Nektar herankommen möchte, braucht einen ordentlichen Rüssel, wie ihn Nachtfalter haben, denn die Blütenröhre ist lang. Ich habe nachgemessen: sage und schreibe 4 cm. Obwohl sie Neophyten** sind, werden sie eher als nützlich angesehen; vor allem, da sie nicht sehr invasiv sind. Bei ihnen finden Nachtfalter Nahrung, die wiederum Fledermäuse ernähren.

Nachtkerzenblüte im Überblick: Die frisch geöffneten Blüten leuchten grellgelb. Darunter vertrocknen die Blüten der vorherigen Nacht, die Knospen darüber öffnen sich in den nächsten Nächten.
Nachtkerzenblüte im Überblick: Die frisch geöffneten Blüten leuchten grellgelb. Darunter vertrocknen die Blüten der vorherigen Nacht, die Knospen darüber öffnen sich in den nächsten Nächten.

Vieles spricht dafür, dass es sich bei unserer Nachtkerze um Oenothera biennis, die Zweijährige, handelt. Aber Nachtkerzen halten sich nicht so sehr an die von Botanikern festgesetzten Artenregeln. Sie sind eher für freie Liebe und vermischen sich kunterbunt durcheinander. So sagen meine schlauen Bücher, dass die roten Punkte auf dem Stängel typisch für die Rotkelchige Nachtkerze – Oenothera erythrosepala – sind. Aber die Kelchblätter wiederum sind alles andere als rot…

Egal 🙂 ich mach es wie die Nachtkerze, pfeif auf die botanischen Artenregeln, und freu mich ihres Daseins!

Welcome in our garden!
Hope, we can welcome your offspring next year, too!

 

 

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* Ödland ist ein echt irreführender Name, denn es ist aus ökologischer Sicht alles andere als Öd!
** Neophyten sind Pflanzen, die nach der europäischen Entdeckung Amerikas nach Mitteleuropa kamen. Manche Ankömmlinge der letzten Jahrzehnte sind sehr invasiv: wo sie wachsen, überwuchern und verdrängen sie alle anderen Pflanzen.
Beispiele für besonders invasive Arten: Japanischer Staudenknöterich und Indisches Springkraut.
*** mein Buchtipp: Heiko Bellmann, Rainer Ullrich (2016): Der neue Kosmos Schmetterlingsführer. Verlag Franckh-Kosmos, 3. Aufl.


Die Vorgeschichte der rätselhaften Rosettenpflanze kannst du hier nachlesen.
Noch mehr Unkrautideen? voila :-)

 

4 Kommentare

  1. Wau, die „Rosette“ ist ja riesig geworden !! Herzlichen Glückwunsch zum Neophyten im Garten 🙂 Und bei den Bildern der Nachtfalter denke ich nur, ich will Nachtkerzen, aber sofort :-))) Ich drück ganz doll die Daumen, daß die sich einladen lassen. Wunderbar ! Gibts nicht auch ein Nachtkerzenöl ? Blühende Grüße

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    • Danke 🙂 Hihi! Freut mich, dass dir die Falter auch so gut gefallen! Du bist ja eh so ne Insektenliebhaberin. Na, probier´s doch mal aus! Vielleicht wachsen Nachtkerzen ja auch in großen Blumentöpfen ganz gut. Ich hab auch irgendwo mal ne Nachtfalterblumensaatmischung für den Balkon gesehen. Wenn mir wieder einfällt wo, such ich sie dir raus.
      Ja, Nachtkerzenöl gibt´s. In Naturheilverfahren finden Nachtkerzen wohl Anwendung, und auch in Cremes. Wenn du danach suchst, findest du ganz viele Links dazu.
      Die nächste Reihe Blüten ist vorhin aufgegangen – in diesem Sinne: Nachtkerzige Grüße!

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      • Ich hab ja keinen Platz mehr….leider. Aber wenn ich mal einen Garten habe oder was anderes großes hier eingeht, komme ich drauf zurück. Wäre echt toll mit den Faltern. Die sehen ja wunderschön aus !! Faltrige 😉 Grüße vom Balkon

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