Der Laubsaugpuster

Das kunterbunte Heckenlaub, hier vom Pfaffenhütchen, stellt sich leuchtend gegen die dunkler werdende Jahreszeit.

Meine Kollegin und ich verstehen uns gut, aber wenn es um Gartenarbeit geht, trennen uns Welten. Was für mich Garten“arbeit“ ist, ist für sie GartenARBEIT. Während ich die Tätigkeiten im Garten eher als Ausgleich und Entspannung empfinde und mich an dem Leben um mich herum freue, empfindet sie das Wachstum ihrer Gartenpflanzen und den Verlauf der Jahreszeiten als eher lästig, denn das alles macht ARBEIT. Und aktuell heißt das vor allem: Laub entfernen.
Soviel zur Einleitung.

Gestern im Büro.
„Mein Mann und ich haben uns ein neues Gadget für den Garten gekauft.“

Ich stelle mich darauf ein, meine höfliche Anteilnahme an der neuen Errungenschaft in positiver Mimik und Kommentar auszudrücken. So wie bei der automatischen Balkonkastenbewässerungsanlage, die sie sich im Sommer zugelegt hat, damit sie nicht immer den Aufwand mit der Gießkanne betreiben muss. Tsss, wer schleppt heute schon noch Gießkannen…

„Einen Laubsaugpuster.“ Peng. Mit dieser Superlative an Gartenausstattung hab ich nicht gerechnet. Ich merke, wie meine Mimik kämpft, wie ich nach einem angemessenen Kommentar ringe.

Farbdreiklang bei… ja, bei wem? 😉 (Auflösung siehe unten)

„Mein Mann wollte unbedingt einen Laubsauger, und ich einen Laubbläser.“ Ihr Mann will unbedingt die Blätter aus den Ecken und hinter der Leiter hervor saugen – „Du glaubst ja gar nicht, wo diese Blätter überall hinfliegen.“ – und meine Kollegin will unbedingt das nasse Laub vom Gehweg pusten.
„Sabine, mit dem Laubbläser ist das so entspannt“, jubelt sie!

*scht scht* So klingt Beppo Straßenkehrers Philosophie.

Entspannt… ich denke an das gleichmäßige, beruhigende *scht scht*, wenn ich den Besen über unser Pflaster schwinge, dem einzigen Ort, wo ich Blätter zusammenkehre. Schon unsere Nachbarn dürften von dieser Tätigkeit kaum noch etwas mitbekommen. *scht scht* Die gleichmäßige Bewegung hat was Entspannendes. *scht scht* Wenn ich meinen Oberkörper bei den Kehrbewegungen mit einsetze und jedes Mal leicht mit drehe, gibt das meinem Rücken einen Ausgleich für das starre Sitzen am Schreibtisch. Wenn ich von der Arbeit heimkomme, kehre ich gerne Blätter zusammen. Das hat was sehr symbolisches: Zusammen mit den Blättern kehre ich die Gedanken an die Arbeit fort.

Der Buntspecht schmeißt das Hasellaub auf der Suche nach Haselnüssen wild durch die Gegend.

Während der Blätterberg immer größer wird, schweifen meine Gedanken zu Beppo, dem Straßenkehrer, Momos besten Freund, und seine Lebensphilosophie gegen die Grauen Herren. *scht scht* Wie viel Beppo und wie viel Graue Herren steckt in uns? Jeder, der das Buch liest, versteht doch die Botschaft sofort, und findet sie gut. *scht scht* Und trotzdem gibt es sowas wie Laubbläser und Laubsauger. *scht scht* Ach. Und Laubsaugpuster. *scht scht* macht mein Besen, mein Rücken entspannt sich immer mehr, die Blätter rascheln. Hab ich schon mal erwähnt, dass Blätterrascheln glücklich macht?  🙂

Von einem Obstbaum fiel es. Im Gras liegt es. In die Erde gezogen wird es. Vorher dreht es die Amsel vermutlich noch zig mal um.

„Sabine, das ganze Laub, das muss doch weg!“ Anscheinend sah man meinem Gesichtsausdruck mittlerweile an, was ich von dem Laubsaugpuster hielt. „Da sind doch dann im Frühjahr noch die Blätter zwischen den Tulpen!“ Oh ja, stimmt, das ist natürlich eins der schlimmsten Dinge, die einem Gartenbesitzer passieren können. Einzelne, alte, braune, zusammengefallene, möglichst auch noch matschige oder gar angegammelte Blätter zwischen den strahlenden bunten Tulpen, die den Sommer versprechen. Vergänglichkeit zwischen frisch strotzender Jugend. Wer kann diesen Anblick schon ertragen!

So mancher Obstbaum fand schon seinen Tod, nur weil er einmal im Jahr seine Blätter abwirft. Doch was uns diese Blätter alles geben! Blätterrascheln im Windesrauschen, Schatten, Reinigung von Luft, Sauerstoff, Früchte – ohne sie keine Energie für die Bildung von Früchten – und am Ende beste Gartenerde.

„Wir haben an die 100 Bäume und Büsche im Garten, und wir kehren nie Laub zusammen.“
„Ach, so ein Quatsch, das verschwindet doch nicht!“
Woher weiß sie das? Sie war doch noch nie in unserem Garten. Ich überlege, und antworte dann vorsichtig: „Doch. Im Frühjahr ist alles weg. Die Regenwürmer haben alles in den Boden gezogen.“
„Sabine, wir haben Lehmboden!!! Da gibt es keine Regenwürmer!!!“ Die Ausrufezeichen sprach sie wirklich.

Wenn sich doch nur die Bonbonpapiere der Spaziergänger im Wald genauso schnell in Erde verwandeln würden wie diese Blätter hier…und doch sorgen jene für deutlich weniger Aufregung.

„Genau wie wir. Wir haben auch Lehmboden, und nach starkem Regen verwandelt er sich sogar vorübergehend in einen Sumpf. Trotzdem ist unser Boden voll mit Regenwürmern. Vielleicht habt ihr eure ja schon ausgehungert?“, versuchte ich mit Augenzwinkern einen Witz. Aber dafür war das Thema zu ernst. „Nein, wir haben überall Regenwürmer!“ Jetzt plötzlich doch? „Aber das Laub muss man wegmachen, sonst liegen im Frühjahr Blätter zwischen den Tulpen!“

Nasses Laub raschelt zwar nicht mehr, dafür dämmt es das Knirschgeräusch des Kieses. Dank des Laubs ist so manche, durch den Bau entstandene und – wie ich fand – hässliche Mineralbetonecke in schnellster Zeit ergrünt.

Ach, ja stimmt, ich vergaß. Das ist ja mit das Schlimmste, was im Garten passieren kann. Hatte sich meine Kollegin nicht schon des Öfteren über den harten, festen, nicht gut durchlüfteten Boden in ihrem Garten beschwert, den sie kaum umzugraben schafft, wenn sie Frühjahrsblüherzwiebeln setzen will? Ich beschließe zu schweigen. Gegen ihr Tulpenargument komme ich nicht an. Wenn Horizonte am Gartenzaun enden, ist man einfach machtlos.**

Eichenblätter zählen zu den gefürchtesten – und das Gras wächst trotzdem! Zumindest in unserem Garten ist das so.


* Auflösung:  Die Blätter im Farbdreiklang sind von der Esskastanie.

** Selbst die Medien kommen an dem Thema „Insektensterben“ nicht mehr vorbei. Nur darüber reden hilft jedoch nicht. Auch das, was wir in unseren Gärten tun, hat Auswirkung. Natürlich ist es nicht der eine einzige Garten, der irgendwas entscheidendes bewirken kann; die Summe aller getroffenen Gärtnerentscheidungen kann es aber sehr wohl.

Mehr zu den besten Laubentfernern, den Regenwürmer, findest du hier und hier.

13 Kommentare

  1. Liebe Sabine, das hast du wieder einmal schön beschrieben. Ich habe jetzt zwar nicht wirklich verstanden, ob sie Regenwürmer im Boden hat oder nicht, aber darum ging es wohl auch nicht. Tja, wie weit die Ansichten auseinandergehen und wie sehr sich die Menschen von der Natur entfernen, wenn selbst Laub als störend empfunden wird. Ich verstehe es nicht. Und wie du sagst, ist die leise und rhythmische Bewegung des Besens wohltuend für Körper und Geist. Hier toben auch seit Tagen die Laubbläser und ich hasse diese stinkenden und Lärm verbreitenden Geräte !! Wieviel Abgase stoßen die eigentlich aus. Ich dachte wir machen was in Sachen Klima….Auf den Parkplätzen liegt zwar wirklich irre viel Laub und auch das auf den Gehwegen muß wegen Rutschgefahr entfernt werden, aber ich kriege immer die Krise, wenn ich sehe, daß unter den Hecken, Büschen und Bäumen auch alles weggeblasen wird. Die armen Insekten…
    Ja, auf der Baumscheibe lag auch irre viel und als ich versucht habe, die Blumenzwiebeln in den harten Boden zu bekommen, mußte ich etwas wegräumen, aber inzwischen ist noch mal ne Ladung drauf gelandet. Manches sah unter dem Laub allerdings gelb aus, aber daß macht ja wohl nichts, oder ? Ansonsten tummelten sich dort Regenwürmer, Tausendfüßler und Co und waren ordentlich am Arbeiten 🙂
    Ach, hätten mehr so einen Garten wie du, das wäre schön !!! Und ihr habt an die 100 Bäume und Büsche ? Betreibt ihr eine Hazienda 🙂 ? Wie groß ist euer Garten denn ?
    Dann noch viel Spaß beim Fegen und „Arbeiten“ im Garten. Auch da gehts mir wie dir, mir macht das nur Freude ! Heute habe ich die Baumscheibe übrigens „umwimpelt“. Bericht folgt irgendwann…

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    • Liebe Almuth,
      ob sie jetzt viele oder gar keine Regenwürmer im Garten hat, hab ich auch nicht verstanden. Vielleicht weiß sie das auch selbst nicht so genau?
      Ja, die Sichtweisen können schon seeehr unterschiedlich sein…

      Unser Garten ist ca. 1.300 qm groß. Manche Büsche wirken eher wie Bäume, ein paar Haselsträucher und Hainbuchen zum Beispiel. Manche Bäume hingegen sind noch sehr klein und schmal, wie die kleine Linde, die schmale Pappel oder eine der Rosskastanien, die seit Jahren nicht wirklich wachsen will. Alle zusammen gezählt geben so etwas über 100, aber ich müßte meine Zählung mal wieder aktualisieren.

      Mmh. Die Fläche auf deiner Baumscheibe ist ja begrenzt klein, und der Aktionsradius der Lebewesen dort auf Grund der Teerlage rundherum auch. Daher kann es schon passieren, dass auf deiner kleinen Baumscheibe im Verhältnis zur Fläche und zur Anzahl der Bodenbewohnern zu viel Laub zu liegen kommt. Dort wird ja vermutlich nicht nur das landen, was dort hinfällt, sondern auch das vom Gehweg rundherum (wo nichts verwittern kann) wird vermutlich auch noch dort hinge… jetzt hätte ich beinahe gekehrt geschrieben 😉 tsss – gepustet, meine ich natürlich. Mmh. Vermutlich würde ich in deinem Fall doch etwas aufpassen, dass die Pflänzchen darunter nicht unter einem riesigen Blätterberg erdrückt werden. Aber so eine Baumscheibe ist ja wieder ein absoluter Sonderstandort, und kein Vergleich zu einem Garten. Hier liegt alles locker, und viel Bewegung sorgt dafür, dass darunter nichts erdrückt wird: mal verweht der Wind, die Vögel drehen die Blätter ständig hin und her… Ein Blatt bleibt selten lange an einem Ort liegen.

      Dass du auf deiner Baumscheibe so viele Lebewesen beobachtest, finde ich ohnehin sehr erstaunlich! Ja, es braucht nur kleinste Fleckchen, und schon ist Leben da… das Wunder des Lebens. Ich bin gespannt, wie die Laubzersetzung dort voranschreiten wird und was du im Frühjahr berichten wirst!

      Du hast deine Baumscheibe „umwimpelt“? Na, ich bin gespannt!
      Liebe Blätterraschelgrüße!

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      • Das ist ja wirklich beinahe eine Hazienda 😉 Da habt ihr Platz für einen halben Wald wie es aussieht. Ja, mach doch mal Inventur. Das habe ich am Anfang meines Blogs mal auf dem Balkon gemacht und war leicht schockiert…. Es wäre schon interessant, was bei dir alles wächst.
        – Was den Baum angeht: Nee, so viel Bewegung ist da nicht und durch den ständigen erneuten Regen drückt es das Laub schon fest auf den Boden. Letzte Woche hatte ich etwas abgesammelt, weil es sehr arg war, aber wie erwähnt, ist noch mal was nachgekommen. Vielleicht sammel ich morgen noch ein wenig ab. Der Wind weht eher neue Blätter an, die dann dort hängenbleiben. – Hier ist immer noch Baustelle. Nachdem lange Zeit Ruhe war, ist in letzter Zeit oft etwas umgerissen worden. Von wem auch immer. Die Stäbe waren dünn. Jetzt liegt Laub da und es ist immer weniger als Beet zu erkennen. Ich hatte wie bei dir, Laub aufgespießt, aber davon war einiges wieder weggeweht. Nachdem dann gestern noch ein Handwerker über die Absperrung stieg und über die Fläche latschte, habe ich Stäbe besorgt, kleine Wimpel aus Polyamid genäht und die heute aufgefädelt. Sieht jetzt etwas lustig aus, aber übersehen sollte man es jetzt nicht mehr können….!!!!!!!!!! Hoffentlich ! Ich raschel zurück 🙂

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