„Tatort Garten“

Das klingt nach einem klassischen Sonntagabendkrimi, ganz nach dem Motto des berühmten Reinhard Mey Songs: „Der Mörder ist immer der Gärtner“.

Pfaffenhütchen, Euonymus europaeus: ein heimischer Strauch und Herbstfarbtupfer für jede Hecke. Rotkehlchen, Amseln und Drosseln lieben seine Früchte. Auch Meisen fressen sie.

Versammelt haben sich die ca. 50 „Zuschauer“ jedoch nicht vor dem Fernseher, sondern in einer Sparkasse. Ob sie Krimi-Fans sind, weiß ich nicht. Aber sie sind auf jeden Fall Freunde des Grüns, des bunten Blühens, Freunde von Hecken und Bäumen, von heimischen Wildpflanzen und summenden Insekten. Fast jeder scheint das Buch „Grün kaputt“ von Dieter Weiland (erschienen 1983) zu kennen. Und nun interessieren sie sich für die Fotoausstellung der BUND-Naturschutz-Kreisgruppe Landshut mit dem Titel „Tatort Garten: Ödnis oder Oase“. Die Ausstellung greift auf, worüber Dieter Wieland sich schon vor 35 Jahren sorgte. „Nichts hat sich seitdem geändert, es ist sogar noch schlimmer geworden“, so ein Zitat von ihm, das eine Besucherin an eine der dafür bereit gestellten Pinnwände hängt.

Man lege sich mit der Kamera unter eine hoch gewachsene Pflanze wie die Kamille und drücke auf den Auslöser. Voila!

Der Garten als Tatort – das klingt schon ziemlich drastisch. „Manches ist halt auch Geschmackssache“, meinte der Bürgermeister in seiner Rede verbindlich. „Menschen scheinen Natur für eine außerordentliche Schlamperei zu halten“, hält eine weitere Rednerin mit einem Zitat Dieter Weilands dagegen. Auch der Fotograf der Ausstellung hat ein klares Argument für mehr Grün, mehr Bunt und mehr Natur im Garten und im Stadtgrün:

Jedem, der ein Glühwürmchen sieht, geht das Herz auf.
Bei einem grauen Schotterfeld ist noch niemandem
´s Herz aufgegangen
.“

Hochgewachsenes Gras im Garten – eine außerordentliche Schlamperei? Oder grazile Schönheit, die unglaublich stabil im Wind steht! Hier wächst Fuchsschwanzgras an unserem Gartenzaun entlang, es ist Mitte Juni.

Während ich den Reden lausche, entstehen in Gedanken rund um unseren Garten Kiesflächen ganz nach Loriots Farbpalette in Ödipussi: „Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Steingrau, Bleigrau, Zementgrau“. Darauf verteile ich symmetrisch dunkelgrüne, kugelig geschnittene Pflanzen und Grasbüschel mit exakt gleichlangen Halmen. An jede Ecke stelle ich einen Waschbetonkübel mit knallroten Geranien.

Eine zart-rosa Belohnung für die Ernennung zur Wiese: die Kuckuckslichtnelke.

Irgendwie kommt da Friedhofsstimmung in mir auf. „Und der Mörder ist immer der Gärtner“, beginnt Reinhard Mey in meinen Gedanken zu summen. Und die Waffen des Gärtners? Mmh, da fallen mir schon welche ein:

 

1.) Waffe: Laubsauger
*scht scht* So klingt Beppo Straßenkehrers Philosophie.

Entgegen seinem Namen saugt er nicht nur Laub ein, sondern auch alles, was zwischen den Blättern und am Boden lebt. Da nutzen den Erdläufern, Schnurfüßern und Raubkäfern ihre vielen Beine, den Springschwänzen ihre Sprungkunst und den Saftkuglern ihr Einrollen nichts. Wo der Saugsturm eines Laubsaugers vorbeizieht, bleibt nichts bestehen. PFFFT! Und sie sind dann mal alle weg. Auf länger. Bei regelmäßiger Anwendung auf noch länger. Der Boden ist ohne seine Fauna ein Nichts, er ist quasi tot. Der Kreislauf, der einen Boden erst zum Boden macht, funktioniert ohne diese Tierchen nicht mehr. Der Boden und seine Fauna, sie sind das Opfer.

2.) Waffe: Flammwerfer
So ist´s gewünscht, weil ordentlich! Nur das Grünzeug aus den Pflasterritzen müsste noch komplett entfernt werden.

Er hält, was er verspricht: Ohne lang zu fackeln vernichtet er alles, auch jede Zebraspringspinne, jeden Weberknecht und jede Feuerwanze, die rein zufällig vorbeikommen. Obwohl sie dem Pflaster weder Schaden zufügen, noch irgendwelche Spuren auf ihm hinterlassen, sind sie – KSCHSCHSCH! – dann trotzdem einfach mal weg. Pech gehabt. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Kollateralschaden.

 

3.) Waffe: Glyphosat
Gepflanzt und von selbst dazugekommen: Die Kombination macht´s! Das Löwenzahngelb ergänzt die Blautöne von Traubenhyazinthe und Vergissmeinnicht perfekt.

Glyphosat wird nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt. Als Roundup landet es Tonnenweise in privaten Gärten. Da ich´s nicht schöner beschreiben kann, zitiere ich einfach von der Webseite roundup-garten: Roundup „beinhaltet ein Unkrautvernichter Glyphosat, so werden nicht nur bestimmte Arten von Unkraut bekämpft, sondern gleich alle. Dies hat den Vorteil, dass man nicht mehrere Produkte kaufen muss. Der Wirkstoff Glyphosat ist schon lange auf dem Markt und ist sehr beliebt, da die Anwendung von diesem Unkrautvernichter im Vergleich zum mühseligen manuellen Jäten sehr einfach und gleichzeitig sehr effektiv und nachhaltig ist.“

Ich denke an einen Satz, mit dem es die Moderatorin Astrid Frohloff der Sendung kontraste (Ausgabe 13.07.2017, 21:59 Uhr * und **) auf den Punkt brachte: „Wir Deutschen gelten ja als besonders effektiv, auch beim Töten von Insekten.

Wie war das gleich nochmal mit dem Mörder und dem Gärtner…?

Blümchen, Bienchen, Bestäubung, Befruchtung. Total bepuderte Honigbiene streicht sich im Flug den Pollen vom Kopf. Was nicht im Pollenhöschen landet, bleibt vielleicht auf der nächsten Narbe kleben.

Wir könnten ja mal in China nachfragen, wie das so ist, ohne Insekten. Wenn man in Obstbäume klettern und jede Blüte einzeln mit Hilfe von Pinseln bestäuben muss, um Äpfel, Birnen oder Kirschen ernten zu können. Stell dir vor, du müßtest die Johannisbeeren, die Himbeeren, die Jostas und Stachelbeeren in deinem Garten alle selbst bestäuben!

Was für ein Zufall! Da fliegt mir doch glatt eine Honigbiene ins Bild! Damit hätten wir die Frage, wer die Blüten bestäubt, auch gleich beantwortet. Hummeln, so lese ich nach, gehören ebenfalls zu den Kürbisblütenbesuchern.

Andererseits: wozu fragen? Schließlich muss doch jeder seine eigenen Erfahrungen machen…

 

4.) Waffe: Bodenversiegelung

Nicht nur ein Problem des öffentlichen Raums, sondern auch der privaten Grundstücke, der Gärten und Vorgärten. Unter dem Motto „pflegeleicht und möglichst abwaschbar“ wird gepflastert, betoniert und zugekiest, was die Baumärkte nur so hergeben. Terrassen, Wege, Einfahrten, Parkplätze, die Streifen rund ums Hauses – ganz in Grautönen, bitte, und ohne jeden störenden Grüntupfer. Um es mit den Worten des Blogschreibers von Biene und Vogel zu beschreiben: Die Hammãda ist auf dem Vormarsch!

Leben unter der Terasse: Im Sommer übernachten da drunter regelmäßig Igel. Wehe, wenn wir uns dann über ihren Köpfen auf die Terrasse setzen! Dann meckern sie ordentlich!

Die Opfer: Pflanzen, die dort wachsen könnten, Tiere, die dort leben könnten und der Boden. Er stirbt unter der versiegelten Fläche. Regenwürmer graben sich nicht unter einer gepflasterten oder betonierten Einfahrt hindurch. Sie unterqueren noch nicht mal geschotterte Waldwege, wie mal ein Förster auf einer Waldpädagogenfortbildung eindrücklich schilderte.

Leben unter der Terasse: Regenwasser rinnt durch die Lücken zwischen den Terrassenbohlen und sickert auch ins Erdreich darunter. Das kühle, feuchte, schattige Versteck ist beliebt bei Spinnen und Spinnenjägern. Wir haben hier schon Zaunkönig und die mit dem Igel verwandten Spitzmäuse bei der Jagd beobachtet. Auch ein Maulwurf hat sich durchgegraben und seine Spuren hinterlassen. Er besucht uns immer in den Herbstmonaten. Keine Ahnung, wo er sich im Sommer aufhält…

Auf die Wasseraufnahmekapazität ganzer Landstriche gehe ich hier gar nicht erst ein. Aber ein weiteres Opfer möchte ich noch benennen:

Lebensraum – im tiefsten Sinne des Wortes.

Betonflächen, wasserdichte Pflasterflächen und sterile Kiesflächen sind keine Räume mehr zum Leben. Vor allem nicht, wenn Laubsauger, Flammwerfer und Glyphosat regelmäßig über sie hinwegfegen.

 

Aber Leben brauchen wir zum Leben. Und Leben braucht Lebensraum.
Jeder von uns hat es in der Hand. Du hast es in der Hand.
Trau dich, wag es, sei mutig, sei unkonventionell, sei anders, als man angeblich im Garten oder aufdembalkon sein sollte: Schaffe Lebensraum für´s Leben!
Leben und leben lassen – für die Lebewesen um uns herum.

 


* Vielen Dank Katharina vom Wilden Meter, dem Münchner Balkon, für den Link zur Sendung in der Mediathek!

** Der Beitrag ist noch bis 13.07.2018 in der Mediathek verfügbar; Start des Beitrags bei Minute 13.

19 Kommentare

    • Oh, du hast wieder einen Pingback gesetzt! Das muß ich jetzt dringend auch mal machen, also Pingbacks zu deinem Blog setzen. Ich hab vor, mich diesbezüglich gezielt durch deinen Blog zu arbeiten 🙂

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  1. Du sprichst mir so aus der Seele mit deinem Beitrag und deine Bilder deines bunten Gartens sprechen für sich!!! Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Das Zitat, das einige Menschen Natur als Schlamperei empfinden, fürchte ich, ist absolut wahr. Ich stelle nur immer wieder staunend fest, wie abgeschnitten viele Menschen von der Natur sind! In Biologie lernt man ja so einiges, nur nicht die Pflanzen und Tiere unseres Lebensraumes kennen. Genausowenig was einen guten Boden oder vielfältige Natur ausmacht. Lernziel: verfehlt. Wobei es schon fast merkwürdig ist, wenn Kindern so etwas erst in der Schule beigebracht werden muß. Früher lernte man noch so manches von Oma und Opa, die sich mit Heilpflanzen und Gemüse auskannten….Ein toller und wichtiger Beitrag!!!!

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    • Danke liebe Almuth!
      Die liebe Natur kommt in unserem Alltag kaum vor, und tut sie es doch, wird sie schnell als suspekt, unberechenbar, gefährlich oder lästig empfunden. Klar, die Spinne krabbelt, wo sie hin will, und das Kraut wächst eben wie es wächst. Wegflammen oder einsaugen oder wegspritzen ist einfacher als sich mit der Natur auseinanderzusetzen, sie auszuhalten. Zumindest beobachte ich das so immer wieder. Wer sich mit ihr auseinandersetzt und ein bißchen über sie weiß, sieht sie mit anderen Augen. Und gewinnt enorm 🙂 Aber zu der Erkenntnis muss man eben erst kommen 🙂

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      • Das ist wohl so, das Unberechenbare, etwas, daß sich seinen eigenen Weg sucht und Unordnung ins Leben bringt. Wer keine Unordnung ertragen kann, kann vermutlich keine Natur ertragen (wäre mal eine interessante Studie 😉 Hier in der Nähe gibts einen Streifen entlang eines Radwegs, da haben sie auch mal alles lästige Unkraut weggeflammt. Erst war ich total traurig, aber nach 2 Wochen fing das Kraut wieder an zu wachsen 🙂 Die direkteste Bekanntschaft hat so mancher Mensch dann mit der Natur in Form von „Naturkatastrophen“, die u.U. auch noch Menschengemacht sind…Erst dann wird die Natur (das unberechenbare Ding) wieder wahrgenommen. Ach, wir können sie doch nicht beherrschen, so wie wir uns das gedacht haben. Nein, können wir nicht. Wir sind nur ein Rad im Getriebe.

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  2. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Ich muss zugeben dass ich in der Vergangenheit da auch den ein oder anderen Fehler beim Gärtnern gemacht habe, aber ich/wir sind gerade dabei, unseren Garten zu einem Insekten- und Vogelfreundlichen Garten umzubauen. Der Trend zur toten Steinwüste – auch bei uns in der Nachbarschaft – ist leider extrem und nicht zu übersehen. Ich hoffe das es ebenso viele Mitbürger gibt, die wie ich und Du anders herum denken.

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  3. Deine Worte in viele Ohren und Köpfe! Auch dem Berliner Grünflächenamt, das dieser Tage in meiner Wohngegend mit Laubbläsern und Heckensägen die Parkbeete und Hecken lichtet und so Rückzugsorte für so manche Tiere einfach auslöscht. Ob das hier so ist wie mit dem Ultraschallgerät in der Arztpraxis: ist das Gerät mal angeschafft, dann muss es auch benutzt werden, damit es sich „amortisiert“?
    Dir noch viele LeserInnen und herzliche Grüße

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    • Liebe Agnes,
      vielen Dank für dein schönes Lob und deine lieben Wünsche!
      Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Wenn diese Geräte einmal angeschafft sind, dann werden sie auch eingesetzt. Die BUND-Ortsgruppen unserer Gegend stehen in intensivem Austausch mit Gemeinden und Städten wegen den Grünstreifen entlang der Straßen. Ein Ziel wäre, das Mulchen dort wenigstens stark zu reduzieren. Aber die Antwort lautet: „Jetzt haben wir aber all diese Geräte angeschafft.“
      Tja. Was soll man darauf noch sagen?
      Da kann man es nur selber besser machen!
      Herzliche Grüße zurück!

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