Nachtkerzenfülle für alle

Unglaublich, was man alles essen kann! Wenn ich es nicht explizit gelernt hätte, hätte ich es vermutlich nicht ausprobiert: Nachtkerzen kann man essen! Ja, du hast richtig gelesen! Den ganzen Sommer über schon ernte ich Rosettenblätter, Blütenknospen, Blüten und Samen und verwildere damit Mittagessen, Salat und Brotaufstrich.

Die Rosettenblätter bereitet man wie Blattgemüse (Spinat oder Mangold) zu, einfach rein in die Gemüsepfanne oder in den Auflauf. Natürlich verwende ich nur die schönen Blätter der Rosette, ähnlich wie beim Feldsalat sortiere ich aus. Auch die Blätter, die schon sehr groß und etwas derb aussehen, verwende ich nicht, aber essen kann man auch die. Die kleinen feinen Blätter hingegen landen schon auch mal roh im Salat. Nachtkerzenrosetten kann man also nie genug haben!

Wie großartig, dass ich dieses „rätselhafte Rosettenpflanze“ wie einen Schatz hütete, das damals vor fünf Jahren plötzlich in unserem Garten auftauchte! Mittlerweile hat sie sich so gut etabliert, dass ich nicht mehr hüten muss, sondern ernten kann. Und zwar ohne Bedenken, dass der Tierwelt zu wenig bleibt.

Die Nachtkerzen bieten der Tierwelt nicht nur Nektar und Pollen, sie sind auch das reinste Hochhaus. In den buschartigen Blütenständen wohnen auf allen Etagen die nützlichen Ohrwürmer, andere Insekten und Spinnen. Und zwar das ganze Jahr über, Sommer wie Winter, vorausgesetzt, die verblühten Stängel dürfen stehen bleiben. Was sich auch für unser Auge lohnt, denn die verzweigten Samenstände verleihen der meist kahlgemähten und klein gehäckselten Winterlandschaft etwas Kunstvolles. Außerdem finden Meisen und andere Vögel dort nicht nur Samen, sondern auch das ein oder andere Krabbeltier, das sich dort zum Überwintern versteckt.

Die Nachtkerzen für die Blühsaison 2020 stehen jedenfalls schon als Rosetten bereit, und gar nicht mal wenige. Leider sind die meisten im Kartoffelacker gewachsen. Als wir die (dieses Jahr mickrig ausfallende) Kartoffelernte ausgruben, mussten die Rosetten weichen – an den Zaun, in die Gemüsepfanne und was nicht zu retten war landete dann doch auf dem Kompost.

Andere würden es Unkraut nennen, ich sehe hier Artenvielfalt, Verstecke und Nahrung für die Tierwelt und seit neuestem auch Erntemöglichkeit für uns. Wir haben einen Großteil der Rosetten aus unserem kleinen Kartoffelacker gerettet und an den Zaun gepflanzt. Die nächste Nachtkerzengeneration!

Die Rosetten von 2018 sind in 2019 zu beeindruckenden Blütenständen herangewachsen. Auch von diesen kann man nie genug haben! Denn Blütenknospen und Blüten der Nachtkerzen sind ebenfalls essbar. Wenn sie so reichlich blühen, kann man gut und ohne Bedenken mit den Insekten teilen. Ein paar dicke Blütenknospen, die kurz vor dem Öffnen stehen, und ein paar geöffnete Blüten reichen, um sie in den Salat zu mischen, während der größte Blütenteil der Tierwelt bleibt.

Ein Nachtkerzenblütenstand ist die reinste Fülle! Über Wochen und Monate öffnen sich täglich neue Blüten. Und jede Blüte bildet an die 200 Samen.
Wenn man von jedem Blütenstand nur ein paar Blüten und dicke Blütenknospen erntet, bleiben noch genügend für die Tierwelt und für die Samenbildung übrig. Teilen und Maßhalten, um schon während der Ernte für die Zukunft – das nächste Jahr – zu sorgen – klingt ziemlich altmodisch, in unserer Konsumgesellschaft und Wirtschaftswachstumsorientierten Zeit, aber nur das erhält uns die Welt – und zwar (über)lebenswert.

Bei uns im Garten steht vor allem die Oenothera biennis, aber auch die anderen Arten sind essbar. Da muss man sich also keine großen Sorgen über die richtige Oenothera-Systematik machen.

Nachtkerzen enthalten Nachtkerzenöl, das gut für Haare und Haut ist und entzündungshemmend wirkt. Richtig gesund sind auch die Samen. Sie enthalten unter anderem mehrfach ungesättigte Fettsäuren, sehr wertvoll, fangen auch freie Radikale ein. Da die ungesättigten Fettsäuren hitzeempfindlich sind, isst man die Nachtkerzensamen am besten roh, zum Beispiel im Salat oder auf den Brotaufstrich streuen.

Auch die Samen kann man sehr gut ernten, ohne dass man sich Sorgen um den Nachtkerzennachwuchs oder die Vogelwelt machen muß. Denn in einer Kapsel sind an die 200 Samen drin. Erntet man also entsprechend, reicht es für die Blaumeisen im Winter, für uns und für die nächste Generation Nachtkerzen dicke!

Die Kapselfrüchte sind wie kleine Einkaufstütchen. Sobald sie sich oben öffnen, muß man nur noch schütteln, und schon fallen die Samen raus. Ich ernte sie so: Oben mit zwei Fingern zusammenhalten, vorsichtig vom Stiel abbrechen oder mit der Gartenschere abzwicken und in eine Schüssel legen. Die Schüssel rüttel ich dann hin und her. Dabei fallen die Samen raus. Anschließend die Kapselhüllen rausnehmen und fertig.

Probier´s aus, und verwildere deine Küche!
Es lebe die Natur, die uns kostenlos so eine Fülle an Wildpflanzengemüse schenkt!

22 Kommentare

  1. Super Beitrag für alle Nachtkerzenliebhaber und solche, die dadurch welche werden könnten, weil sie nicht nur hübsch sind und der Tierwelt nützen, sondern auch den Menschen dafür belohnen, dass er sie im Garten fördert.

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      • Stimmt! Andererseits stößt man bei vielen Menschen auch auf großes Interesse, sobald man anfängt, davon zu erzählen. Die Zeit ist reif für Veränderungen, das spüren und wissen sehr viele, nur wissen sie oft nicht, wie und wo anfangen. Da fehlt dann oft nur noch ein kleiner Schubs, erste Ideen, eine winzige Portion Mut, jemand, die/der das schon macht, und man sieht, dass es geht… Jede*r kann diesen kleinen Schubs, das noch fehlende bißchen Mut weitergeben. Wir sind mittlerweile viele, und wir sind vor allem nicht mehr still, weil wir mittlerweile wissen, dass wir nicht alleine mit dem Wunsch nach einer besseren Welt sind.
        #Actnow 🙂

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      • Ein flammendes Pläydoyer. Na dann werde ich mich gleich mal wieder in meinem Blog als Schopf-Tintlings-Liebhaberin outen, denn die brauchen auch mehr Fürsprecher. Hab ein schönes Wochenende 🙂

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    • Eine heilige Pflanze? Das wußte ich jetzt wieder nicht! Danke für diese Info! Noch ein Grund mehr, sie im Garten wachsen zu lassen 😉
      Es gibt ja ziemlich viele heilige Pflanzen, je nachdem, welche Quelle man fragt, und zu sehr vielen Pflanzen gibt es sehr spannende Geschichten…. Bei einigen Arten käme da ein eigenes Buch zusammen.

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    • Hallo Ule! Ja, dann auf in den Garten und Nachtkerzenrosetten ernten ;-)! Falls du die Wurzeln probieren solltest, freu ich mich, wenn du mir schreibst, wie sie schmecken. Bei uns ist die Rosettenernte für dieses Jahr zu Ende. Überall, wo sie weg sollten, sind sie schon im Gemüse gelandet.
      Guten Appetit! 🙂

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  2. Vielen Dank für die köstliche Information!
    Ich habe seit drei Jahren Nachtkerzen im Garten und habe bisher immer die zuvielen Rosetten in Töpfchen gesetzt und an Freunde mit Garten weitergereicht. Doch die sind ja nun gut versorgt, da sie sich so reichlich aussähen.

    Da werde ich demnächst gerne ein Vorratsglas mit Samenkörnchen füllen und nach und nach verspeisen.

    Übrigens wachsen die Nachtkerzen auch gut im mittelgroßen Terracotta-Topf auf dem Balkon. Dort lasse ich auch immer die verblüten Stengel stehen und die Meisen knuspern im Winter von den Samen.

    Nachtaktive Grüße von
    Ulrike

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    • Gerne, liebe Ulrike!
      Oh, verschenken ist auch eine schöne Idee! Und jetzt kannst du gleich noch Rezepte dranhängen ;-). Dann wünsch ich auch dir guten Appetit!
      Und danke für den Balkon-Tipp!
      Liebe Nachmittagsgrüße!
      Sabine

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  3. Dann muß ich sie ja doch noch ansiedeln, wo auch immer 😉 In der Nähe gibt es ein Haus, da ist der ganze Garten voll von Nachtkerzen. Immer sehe ich dieses Feld von gelben Blüten und das sieht so schön aus. Ich hätte nicht gedacht, daß die Blüten eßbar sind, geschweige denn die ganze Pflanze! Da gibt es auch keine Verwechslungsgefahr oder? Auf ins Nachtkerzenrestaurant 🙂

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    • hihi! Bei den Blüten und Samenständen gibt es definitiv keine Verwechsungsgefahr. Bei den Rosetten hingegen sollte man wissen, wie die Rosetten der Nachtkerzen aussehen. Denn es gibt viele Pflanzen, die im ersten Jahr Rosetten bilden, wie Nachtviole, Königskerze und Fingerhut, die man nicht essen sollte. Aber wenn man da mal eine Blick für hat, erkennt man sie gut.
      Daher würde ich persönlich Rosetten auch nur an einem Standort ernten, den ich gut kenne, sprich, bei dem ich weiß, WAS dort alles wächst, um sicher zu sein, dass es sich um Nachtkerzenrosetten handelt. Dein Balkon oder der Garten wären ja so ein Standort 🙂
      🙂 Guten Appetit!

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      • Okay, ja, das mit den Rosetten würde ich dann tatsächlich nicht probieren (ich gestehe, ich bin da etwas schisserig), aber die Blüten erkennt man ja wirklich, solange es keine Doppelgänger gibt. Da bin ich beruhigt ;-). Balkon ist voll und unter dem Baum wächst ja nicht viel. Wobei nach der Regenwoche jetzt alles „stramm“ steht da unten, wirklich!

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      • hihi! Ich seh sie vor mir, die strammstehenden Blümchen! Wehe dem Auto, das sich erlaubt…! 😉
        Ja, es ist hilfreich, wenn man sich die Pflanzen mal mit jemandem anschaut, der sie gut kennt. Dann fühlt man sich sicherer, geht mir auch so! Aber die Blüten sind wirklich nicht zu verwechseln 😉
        eigentlich müßten die Nachtkerzen auch auf deiner Baumscheibe gut wachsen, oder? Trockenheit können die ganz gut ab.

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      • Das Problem ist schon das Anwachsen! Ganz viele Pflanzen, die Trockenheit später abkönnen, kommen einfach nicht aus dem Quark. Ich bin schon froh, daß es jetzt Wundklee und Hornklee und eine kleine! Wilde Möhre geschafft haben. Der Natternkopf ist auch gut gewachsen, aber da hats noch geregnet. Auf die Pflanzen baue ich. Vor zwei Jahren hatte ich von meiner Mutter einen Salbei und einen Wollziest bekommen. Der Ziest ist jetzt ca. 10 bis 12 cm groß, der Salbei vielleicht 15. Aber sie sind dieses Jahr gewachsen, immerhin 😉 Vielleicht müßte ich die Pflanzen erst mal mit frischem Substrat draufsetzen, so daß sie sich später ihren Weg selbst bahnen können.

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      • Das mit dem frischen Substrat ist eine gute Idee! Mach ich auch so, wenn der Boden ein bißchen „fies“ ist für kleine Wurzeln und frisch angepflanztes Pflänzchen, und das funktioniert gut!

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