Sommerserie: Lebenswunder Wilde Möhre

Über den Kopf gewachsen! Bisher kannte ich Wilde Möhre so kniehoch etwa. Eine Wiesenpflanze halt. Doch diese hier ist eher wie ein Wilde Möhren-Strauch.

Mal nachgefragt: Wann hast du zuletzt Wilde Möhren auf Wiesen stehen sehen?

Eigentlich ist die Wilde Möhre so was wie eine „Wächstfastaufallen“Wiesen-Pflanze und ist typischer Teil mehrerer Pflanzengesellschaften. Eigentlich. Aber selbst Allerweltspflanzen haben es schwer, werden seltener, verschwinden, oft ohne dass wir es so recht bemerken. Und wenn du dir die Bilder unten anschaust, erahnst du, was mit ihnen verschwindet…

In unserem Garten wächst die Wilde Möhre jetzt wieder – Jihuu! Nachdem ich die Jungpflanzen ein Jahr lang gegen Schnecken, das wuchernde fette Gras und gegen die 2018-er Trockenheit verteidigt habe. Ich habe mir nämlich fest vorgenommen, unsere Wiese unter den Obstbäumen wieder bunter zu machen. Kein leichtes Unterfangen!

Nicht nur Wilde Möhre, wildes Blühen allgemein! Rechts ragen Nachtkerze (unten) und Gelber Steinklee (oben) ins Bild. Dahinter sommerlich hohes Gras, in dem es hüpft und springt und bis spät in die Nacht hinein zirpt. Sommer eben!

Denn:
Erstens ist das Gras sehr konkurrenzstark und duldet kaum was anderes neben sich.
Zweitens zieht jedes Pflänzchen, das kein Gras ist, Schnecken an wie Magnete.
Und drittens musste ich irgendwann einsehen, dass ich wohl oder übel die Samen der Wiesenpflanzen kaufen und in kleinen Töpfchen vorsäen musste, will ich mit meinem Vorhaben Erfolg haben. Denn woher sonst nehmen, wenn sammeln nicht möglich ist, weil sie nirgends vorkommen?

Gedacht, eingesehen, Samen bei Hof Berg-Garten bestellt, im Frühjahr angesät… dummerweise hab ich für meine erstAnsaat-dannAuspflanz-Vorhaben ausgerechnet das trockene Jahr 2018 erwischt, aber das konnte im Frühjahr 2018 ja noch niemand ahnen…

Das Bild hat irgendwie was von einer Alm…

Es war ein schwieriger Überlebenskampf. Erst die Schneckenbrigarden, die nichts hochkeimen ließen, dann die Trockenheit. Immerhin sind durch die Trockenheit die Schnecken verschwunden, dafür war´s jetzt viel zu heiß. Wilde Möhren sind eigentlich Sonnenpflanzen, brauchen viel Licht. Aber da, wo viel Licht war, war es viel zu heiß, die jungen Pflänzchen litten enorm unter dem Hitzestress. Im Schatten war es ihnen aber zu dunkel und auch zu heiß…
Zwischendurch war ich mehrmals kurz davor aufzugeben. Gut, dass ich eine gewisse Portion Sturheit in mir trage…

Die Blüten verraten sofort die Verwandtschaft der Wilden Möhre: Doldenblütler. Die große Dolde, unten mit ihrem „Ballettröckchen“ aus fein gefiederten Hüllblättern, besteht wiederum aus vielen Döldchen (heißen wirklich so), die jeweils ihr eigenes Tutu besitzen. Man könnte also sagen: Lauter kleine Blumensträuße (Döldchen) bilden zusammen einen großen Blumenstrauß, die Dolde.

Typisch für die Zweijährigen, bildet auch die Wilde Möhre im ersten Jahr nur Blätter. Es hieß also mehr als ein Jahr durchhalten bis zur Blüte… und eigentlich ist es erst geschafft, wenn sie sich wieder aussät, und ohne mein Zutun wirklich bleibt.

Es gelang mir tatsächlich, ein paar wenige Pflänzchen durch den Sommer 2018 zu bringen. Den Herbst und Winter über hoffte ich nun, dass nicht Mäuse mit ihren Ganggrabeaktivitäten und die wiederum nach Mäusen grabende Wölfin ihnen den Garaus machten…

Filigranes Stengelblatt der Wilden Möhre.

Geschafft bis ins Frühjahr 2019 – und da fingen die Wilden Möhren dann plötzlich an zu wachsen, sowas haste noch nicht gesehen! Normalerweise werden sie etwa „bis 1 / 1,20 m hoch“, steht in meinen Büchern. Die haben meine Wilden Möhren aber anscheinend nicht gelesen. Stattdessen wuchsen wir mir am Ende sogar über den Kopf! Und blühten eeewig! Und Insektenbesuche ohne Ende! Viele sind dort eingezogen, die Wilden Möhren waren das reinste Insektenhochhaus. Und es gab so viele Samen, dass ich sogar welche verschenkte und auf Spaziergängen mit Wölfin verstreute (Guerilla gardening mit Wilder Möhre, wie passend!).

Die verblühten Blüten bilden eine Kugel, in der gut geschützt die Samen reifen. Gut zu erkennen: Das Hüllblätter-„Ballettröckchen“.

Eigentlich, finde ich, sollte in jedem Garten Wilde Möhre wachsen :-). Aber seht selbst, welch Lebenswunder sie ist!

Auf den Blüten: Ständiger Insektenbesuch…

 

Suchbild: Vier Arten auf einen Streich! Oder besser: …auf einer Dolde.
Gallische Wespen knabbern an den Blüten, holen sich vermutlich Pollen.

 

Weichkäfer ohne Ende…teilweise auch mal 20-30 Stück auf einer einzigen Doldenblüte.
In der noch grünen Samenkugel verstecken sich jede Menge Insekten, hier eine Streifenwanze.

Ohrwurm versteckt in der unteren Etage der Blüten.
Verblüht, aber nicht tot. Hier werden nun die Samen gebildet. Ein Versprechen für´s nächste Jahr und auf die Zukunft…

Mehr über das Projekt „Bunte Wiese“.

11 Kommentare

  1. Wunderschöne Bilder und die Wanzenparade unter dem Schirm der Wilden Möhre ist auch fantastisch 🙂 Ist sie bei euch denn selten? Hier sehe ich sie sehr häufig. Unterm Baum hat sich auch eine angesiedelt, ob freiwillig oder mit ner Saatgabe, weiß ich nicht. Sie ist sehr klein, etwa 20 cm. Aber ich hoffe, sie versamt sich und wächst dort weiter, egal wie hoch. Hauptsache eine Pflanze, die Trockenheit abkann. Das sie so riesig werden können wie bei dir, wußte ich nicht. Toll 🙂 Die Wilde Möhre war hier neben Greiskraut, Flockenblume und Natternkopf vielerorts eine der wenigen Pflanzen, die trotz Trockenheit wochenlang durchgeblüht hat. Die muß schon tief wurzeln oder weit verzweigt. Erstaunlich, was für Überlebenskünstler. Auf daß sie in vielen Gärten ein neues zu Hause findet 🙂 Freu 🙂

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    • Danke, liebe Almuth! Ja, bei uns hat sich in den letzten Jahren das Düngen der Wiesen stark ausgebreitet, und seitdem verschwindet das Bunt aus den Wiesen zusehends. Hinzukommt das häufige Mähen zu ungünstigen Zeiten und Mulchen der Straßen- und Wegränder (teilweise sogar der Wegränder im Wald von besonders „ordentlichen“ Waldbesitzern) 😦
      Ja, Natternkopf und Flockenblume, das kann ich mir gut vorstellen, dass die auf deiner Baumscheibe gut klarkommen!
      Letztes Wochenende kam dann natürlich doch wieder was dazwischen und ich hab keinen Blog lesen können. Aber dieses! Soll ja regnen / schneeregnen und recht ungemütlich sein. Perfekt also!
      Gehst du heute auch zum Klimastreik? Bei euch ist doch bestimmt auch was los!
      🙂

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      • Das die das so übertreiben müssen! Ich glaube, im Umfeld der Stadt sieht das auch noch mal anders aus. Auf dem Land mag es zum Teil „ordentlicher“ zugehen. In der Peripherie können sie es nicht so übertreiben. – Die Flockenblumen wachsen nicht auf meiner Baumscheibe (noch nicht ;-). Ich meinte nur, daß das die Wildblumen sind, die man den Sommer über blühen sehen konnte, so ohne Wasser, neben der besagten Möhre und dem Greiskraut und ein paar anderen Pflanzen. – Hier war sicher was los, aber ich mußte arbeiten und eine Ausstellung vorbereiten. Ich glaube, die Demo hatte eine ganz gute Beteiligung und die Auswirkungen auf den Stadtverkehr waren zu merken. Ich bin erstaunt, wieviele Länder weltweit inzwischen mitmachen! Wahnsinn. Warst du bei einer Demo dabei?

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      • zur Düngung: Ja, leider 😦 aber liegt halt auch daran, dass dieser ganze Odl anfällt, weil so viele Tiere gehalten werden, weil Verbraucher das so kauft und weil die entsprechenden Subventionen so fließen…
        Ja, wir waren auf der Demo! War ein bißchen deprimierend, weil es mehr Menschen hätten sein müssen.
        Aber gut 🙂 es war echt mieses Wetter und immerhin waren die da, die da waren!!! Ist ja nicht jede*r ein*e Regenwetterdemonstrant*in 😉

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      • Ich glaube, an manchen Orten war richtig viel los. Ich weiß es nicht genau, aber hier in der Stadt waren viele Straßen gesperrt und blockiert. Naja, jetzt müssen nur noch mehr Taten folgen. Schön daß du da warst, trotz des ungemütlichen Wetters 🙂

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