Blätterfall und die Heinzelwürmchen

birke-herbstlaubHerbst. Die letzten Blumen blühen, die Bäume werden bunt, die Temperatur sinkt, der Nebel steigt – und die Blätter fallen. Dabei denke ich jedes Mal wieder an das Kinderlied „Blätterfall, Blätterfall, bunte Blätter überall“. Lautstark sangen wir es, während wir mindestens ebenso laut raschelnd und mit vollem Genuss durch die dicke Laubdecke schlürften.
Durch´s Laub Rascheln macht glücklich, wusstest du das? 🙂

Bald sieht es zwischen unseren vielen Bäumen so aus: Überall Laub. Und dazwischen: Nahrungssuchende!
Bald sieht es zwischen unseren vielen Bäumen so aus: Überall Laub. Und dazwischen: Nahrungssuchende!

Leider ist die Sichtweise auf das Laub bei den Erwachsenen oft eine andere. „Jetzt machen die Bäume wieder nur Dreck.“, heißt es. Und statt fröhlichem Blätterraschelgesang ertönen Gebläse und Gesauge*, denn der Dreck muss schließlich weg. Zu Haufen gepustet oder eingesaut, in Plastiksäcke verpackt **, verbrannt***, auf jeden Fall nur weg damit!
„Was für eine Arbeit!“

Darf ich vorstellen? Heinzelmännchen Regenwurm, Lumbricus terrestris.
Darf ich vorstellen? Heinzelmännchen Regenwurm, Lumbricus terrestris.

Ja, und eine total unsinnige obendrein. Denn es gibt Heinzelmännchen – oder besser gesagt Heinzelwürmchen -, die diese Arbeit für dich erledigen: Regenwürmer. Wie die fleißigen Winzlinge aus Köln arbeiten sie im Verborgenen, unsichtbar und stetig.

Ein Blatt nach dem anderen verschwindet von der Oberfläche. Die Regenwürmer ziehen sie hinab in die Tiefen des Erdreichs. In eine Welt, an die wir selten denken, obwohl wir sie bei jedem Schritt berühren. Dort in der Erde verwittern die Blätter und düngen den Boden. Irgendwann fressen die Regenwürmer sie auf, und verwandeln sie in kostbaren, lockeren Humus. Nebenbei wird der Boden gelockert, Gänge entstehen, die für gute Durchlüftung sorgen. Die Wurzeln der Pflanzen atmen auf und nehmen die freigewordenen Nährstoffe für ihr weiteres Wachstum auf.
Bis zum Frühjahr sind alle Blätter weg.
Du glaubst es nicht? Probier es aus!

Das Scharbockskraut blüht als eines der ersten im Jahr; um diese Zeit ist schon kein Laub mehr zu sehen!
Das Scharbockskraut blüht als eines der ersten im Jahr; um diese Zeit ist schon kein Laub mehr zu sehen!

Es ist der perfekte Kreislauf, wenn man ihn nur lässt. Aus abgestorbenem Pflanzenmaterial entsteht neues Leben. Gratis und ohne, dass du etwas dafür tun musst, erhältst du einen Rundum-Service von deinen Heinzelwürmchen:
Laubbeseitigung, Düngung, Durchlüftung des Bodens und besseres Pflanzenwachstum. Obendrein bietest du mit Laub unter Hecken und in stillen Ecken Heimat für zahlreiche Krabbeltiere (also eine gesunde Bodenfauna) und sorgst damit für ein gesundes Ökosystem in deinem Garten.
Altes Gärtnerlatein.

Und doch höre ich oft: „Laub, das liegen bleibt, macht das Gras kaputt.“
Gegenfrage: Schon mal wirklich ausprobiert?

Es stimmt nämlich einfach nicht. Wir haben in unserem Garten noch nie Laub entfernt, und auch noch nie gedüngt. Dafür wächst unser Gras so dicht und gut, dass wir oft darum beneidet werden. „Bei uns wächst der Rasen nicht so schön! Und wir haben schon so viel Geld und Arbeit reingesteckt…“

Ja, wir nicht. Wir tun nichts für unser Gras, weder wässern noch düngen noch mulchen; wir lassen tun. Unser Boden ist voller Leben. Alles wächst super. Laub lebt, es ist voll mit Kleintieren, einer Bodenfauna, die für weiteres Leben und Wachstum sorgt: Vögel, Frösche und Igel finden Nahrung, Pflanzen profitieren von einem gesunden Boden.

Wenn das Laub in deinem Garten nicht verschwindet, dann solltest du dir ernsthafte Sorgen machen. Aber nicht, weil das Gras unter dem Laub gelb wird, sondern weil dein Boden tot ist. Regenwürmer gibt es nur, wenn sie was zu fressen finden. Und sie ernähren sich v. a. von Laub. Ohne Laub verhungern sie und viele andere Tierchen, die zur Bodenfauna gehören, gleich mit. Und ohne gesunde Bodenfauna kein gesunder Boden.

Schwer vorstellbar, aber es gibt mittlerweile tatsächlich Böden ohne Regenwürmer, weil die Regenwürmer einfach wegen Nahrungsmangel sterben. So manch pfiffiger Kopf hat aus dieser Not schon ein neues Geschäftsmodell entwickelt und verkauft nun selbstgezüchtete Regenwürmer, für einen „gesunden und lockeren Boden“, heißt es. Ist das nicht paradox? Das, was die Natur gratis zur Verfügung stellt, wird hier zum Kauf angeboten…?

Laub im Garten: Last oder Freude? Es ist deine Entscheidung.
Laub im Garten: Last oder Freude? Es ist deine Entscheidung.

Ich sag´s ja:
🙂 Blätterrascheln macht glücklich und dein Garten lebt!

 


* Laubsauger sind noch schlimmer als Laubbläser, denn sie saugen mit dem Laub alles Kleingetier, und damit das ganze Bodenökosystem einfach ein – und weg ist es.

** Biomüll in Plastiksäcken… auch sensatinell hübsch anzusehen, wenn die vollgestopften blauen Müllsäcke wochenlang herumliegen. Ein Farbtupfer der besonderen Art…

*** In die Luft gequalmter Dreck wird anscheinend als nicht so schlimm empfunden wie ein Haufen Laub voll Leben.

15 Kommentare

  1. Das ist ja interessant.Bislang habe ich auch immer gehört das der Rasen darunter leidet wenn er voll Laub liegt.Vielleicht ist damit die Gerbsäure in den Blättern gemeint.Ich lasse das Laub in den Anlagen.Allerdings überlege ich noch wie ich es verhidern kann das es nicht so arg zu den Nachbarn herüberfliegt.Wie sieht denn das bei dir aus?

    Gefällt 1 Person

    • Hallo Elke 🙂
      Bei uns stehen überall am Zaun entlang Büsche, hohes Gras und Stauden. Dort verfängt sich das Laub. Auch der Staketenzaun hält das Laub ganz gut auf. Bisher hatten wir keine Beschwerden von Nachbarn, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das problematisch werden kann.
      Um Ärger mit Nachbarn zu vermeiden, könnte man auch als Kompromiss einen Laubfang aufstellen, also eine Art Kompost mit zwei oder drei Seitenwänden (also mind. nach einer Seite hin offen, damit auch Igel und Amphibien gut hineingelangen), in dem man einen Großteil des Laubs als Haufen sammelt. Laubhaufen sind ein idealer Überwinterungsort für zahlreiche Tiere. Dann habt ihr das Laub nicht ganz beseitigt, aber trotzdem liegt nicht zu viel bzw. alles überall herum. Dadurch, dass der Laubfang an mind. einer Seite offen ist, bleibt sozusagen auch „das System offen“: Die Blätter können sich trotzdem wieder bis zu einem gewissen Grad im Garten verteilen, ohne dass es zu großen Laubverwehungen kommt.
      Vielleicht hift euch das ja weiter 🙂
      Viel Freude beim Laubrascheln! 🙂

      Gefällt 1 Person

  2. Glückwunsch zu den vielen Regenwürmern 🙂 Danke für den informativen Artikel. Ich hab zwar keinen Rasen, aber diesen Satz – das macht den Rasen kaputt – kenne ich auch. Gut zu wissen, daß das nicht stimmt. „Toll“ finde ich auch immer, wenn hier die Gärtnerkolonnen kommen und alles wegblasen, daß sie damit, neben den wichtigen Krabbeltierchen, auch den Frostschutz für die kleinen Pflänzchen entfernen. Mir schleierhaft, wie man Laub als Dreck bezeichnen kann ?! Und das die Regenwürmer auch schon ganz fehlen können, wenn der Boden nichts mehr zu bieten hat, wußte ich auch noch nicht. Also, in der Hoffnung auf mehr Laub, das liegenbleibt ! Sehr schöne Aufnahmen übrigens 🙂 Das letzte Blatt, das so schön im Licht leuchtet, ist auch herzig !

    Gefällt 2 Personen

    • Hallo Almut! Vielen lieben Dank dir für ein blumenreiches – oder sollte ich sagen blätterraschelreiches 😉 – Kommentar 🙂 freu mich sehr!
      Ja, auf das Blätterrascheln und das Laub!
      Liebe Grüße auf den Balkon!
      🙂

      Gefällt 2 Personen

  3. Ich lasse das Laub in meinem Garten liegen und das Laub, das ich vom Bürgersteig fege (ich wohne an einer Hainbuchenallee) häufele ich an einer windgeschützen Stelle unter einem „Vorhang“ aus Efeu an, damit Igel oder andere Kleintiere dort eine Überwinterungschance haben.

    Wenn einige Nachbarn über das viele Laub stöhnen, frage ich sie immer, was sie eigentlich atmen und ob ihnen nicht klar wäre, daß jedes einzelne Blatt monatelang die Luft gefiltert und Sauerstoff produziert habe. Und selbst als gefallenes Laub, wäre es ein wertvoller und nahrhafter Teil des natürlichen Stoffwechsels und wichtig für die Erhaltung der Fruchtbarkeit der Erde.
    Manchmal fangen sie dann an, den Laubfall ganzheitlicher zu betrachten …

    Und die Regenwürmer (und Kompostwürmer) sind dabei, wie Du so poetisch formuliert hast, die Heinzelwürmchen.

    Es gibt ein feines Buch über Regenwürmer von Amy Stewart. Amy Stewart hat mit Begeisterung und Leidenschaft ein informatives Plädoyer für den Regenwurm geschrieben. Wenn sie von ihren eigenen Beobachtungen und handzarten Wurmerfahrungen erzählt, Darwin bewundernd zitiert und uns neueres Wurmwissen wohlportioniert „vorkaut“, bringt sie uns nicht nur den Regenwurm näher, sondern sie eröffnet auch eine Perspektive, die in die Erde hineinschaut und uns demütiger werden läßt, angesichts des zwar meist unsichtbaren, aber doch sehr, sehr wirkungsvollen, lebensdienlichen Wirkens, das dort geschieht.

    Tun wir also das Naheliegende und tragen unser Scherflein bei, z.B. indem wir genügend organisches Material in unserem Garten liegenlassen, um die Regenwürmer und Kompostwürmer zu füttern, die dann den Boden füttern, der dann die Pflanzen füttert, die wiederum uns füttern … Ist doch ganz einfach und hat sich bei den Regenwürmern schon seit Jahrmillionen bewährt.

    Hier der Link zu meiner Rezension:
    https://leselebenszeichen.wordpress.com/2016/05/23/der-regenwurm-ist-immer-der-gaertner/

    Herzliche naturverbundene Grüße 🙂
    Ulrike von Leselebenszeichen

    Gefällt 1 Person

    • Hallo Ulrike! 🙂 Danke für den Buchtipp und die Erinnerung an dieses Buch! Über genau diese Rezension von dir bin ich ja schon mal auf deine Seite „gestolpert“ 😉 Das sollte ich als „Lese“-Zeichen nehmen und es auf die Liste meiner Herbst- und Winterlektüre setzen.
      Herzliche Grüße zurück!
      🙂

      Gefällt 1 Person

  4. Du sprichst bzw. schreibst mir aus der Seele! Jeden Herbst beobachte ich erstaunt-erschrocken unsere städtischen Mitbewohner, mit welcher Akribie sie gegen das Herbstlaub kämpfen. Kämpfen, ja, als sei es ein Krieg. Laubbläser empfind ich obendrein persönlich als Zumutung, wegen des grauenvollen Gestanks und des unzumutbaren Lärms.

    Die Sinnlosigkeit dieses ganzen Tuns versinnbildlicht ein Beispiel vor meiner eigenen Haustür: In meinem dunklen eher hässlichen Hinterhof war wochenlang das Laub des Haselstrauches auf dem sogenannten Beet ein hübscher Anblick. Eines Novembertages kamen vermutlich schlechtbezahlte Gartenarbeiter und saugten jedes kleinste Blättlein weg. Jetzt liegt der Boden wieder nackt und kahl. und ungeschützt. Einzige „Zierde“: Müll, der von den Mülltonnen herüberweht, und der nicht zum Aufgabenbereich des Hausmeisters zu gehören scheint. Ab und zu erbarme ich mich und hebe ihn auf. Im Gegensatz dazu spart unsere Hausverwaltung an den Kosten für die Hausreinigung. Der Betonboden im Hof neben dem sogenannten Beet wird seit zwei Jahren nämlich nicht mehr gekehrt und er wird langsam von feiner Erde und Moos überwuchert. Dazwischen liegt Straßendreck und Kippenstummel. Ein Kontrast, widersinniger er nicht sein kann.

    Gefällt 1 Person

    • Herzlich willkommen auf meinem Blog :-)! Freut mich, dass du dich als Followerin angemeldet hast!

      Ja, als eine Art Krieg könnte man es tatsächlich bezeichnen.
      Sehr schöne Geschichte, die du da erzählst! Und so typisch, irgendwie. Es zeigt sehr anschaulich, was als Schmutz und Dreck empfunden wird, während der wahre Dreck ausgeblendet wird.
      Solche Beispiele gibt es hier aus unserm Dorf auch. Laub, ungemähte Straßenränder und nicht mindestens zwei Mal im Jahr ausgebaggerte Wassergräben werden als „unordentlich und schmutzig“ empfunden. Aber es ist ok, blaue, vollgestopfte Müllsäcke in den Wald zu werfen. Als ich mal vorsichtig nachfragte, warum denn im Herbst überall im Wald diese zugeschnürten Müllsäcke auftauchten, hieß es: „Das ist Apfelmaische (also das, was vom Apfelsaftpressen übrig ist). Die ist für´s Wild.“ Auf meine Nachfrage, warum man denn die Säcke nicht ausleere, denn das Plastik verrotte ja nicht, hieß es nur knapp: „Das hat ma scho immer so gmacht.“
      Ah ja, das erklärt und rechtfertigt alles… (?).
      (Die Frage, warum man das Wild füttere, wenn man doch eigentlich findet, dass es davon zu viel gäbe, hab ich mir dann verkniffen. Vielleicht versteh ich das als Dorfneuling ja auch nicht…)

      😉 Jaja! Hat schon auch was von Comedy. Wenn´s nicht gleichzeitig so zum Haare ausraufen wäre.

      Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..